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Interview mit wasteofmind.de
Interview mit ..But Alive nach dem Erscheinen von "Hallo Endorphin". Quelle: www.wasteofmind.de

Nachdem man einige Zeit nichts mehr von ...But Alive gehört hat, meldeten sich die vier Hamburger Mitte September mit ihrem neuen Album 'Hallo Endorphin' zurück. Bei ihrem Gastspiel in Berlin, hatten wir vor dem Konzert die Gelegenheit mit Marcus und Hagen im Backstagebereich des Pfefferbergs über das neue Werk, sowie über anderes zu plaudern. Wie sich kurz später herausstellte, sollten wir die zweifelhafte Ehre haben, dass letzte Interview mit den Jungs überhaupt zu führen, da sie sich ein paar Tage nach dem Konzert auflösten.

In eurem Song 'Ein sozialkritisches Schlagzeugsolo später...' habt Ihr die Textzeile 'über Musik schreiben ist wie, zu Architektur tanzen'. Wie ist das genau gemeint? Könnt Ihr Interviews vielleicht gar nicht leiden?

Marcus: Das Problem bei dieser Textzeile ist, daß sie man sie niemals als einzelne rausgreifen darf, sondern den Text betrachten muß, in den sie eingebettet ist. Und in dem Text geht es ja nicht um jeden, der über Musik schreibt. Was der Text eigentlich sagt ist, daß eine bestimmte Art von Musikjournalismus oder Musikrezeption, ich nenne das ja immer die Spex-krankheit, einfach Quatsch ist, weil man nicht hinter jeder Band oder hinter jeder Bewegung oder hinter jedem neuen innovativen Elektrogeblubber, ganz egal wo man jetzt her kommt, großartig die Revolution oder den Punk erwarten darf, ´77 oder so. Und darum geht´s in dem gesamten Text. Und um das auf die Spitze zu treiben, habe ich halt diese Textzeile genommen, aber das sagt natürlich nichts gegen irgendwelche Fanziner oder gegen Leute, die sich mit Musik auseinander setzen, weil ich ja auch Fanzines lese und mich interessiert das ja auch, so ist das gemeint. Also man darf das nicht einzeln herausgreifen. Auch der Termin hier jetzt ist uns willkommen. Wir machen da überhaupt keine Unterschiede, ob das nun ein Interview für ein großes Magazin ist, oder nur für ein kleines. Wer Interesse an unserer Musik und unserer Band hat, dem wird auch alles beantwortet.


Auf eurem neuen Album 'Hallo Endorphin' hört man ja ganz deutlich eine Soundveränderung im Vergleich zu Euren Alben davor. Ihr habt teilweise Elektrosounds miteinfließen lassen. Seht Ihr das als eine Art Weiterentwicklung oder einfach als einen Schritt weg von den alten Sachen?

Marcus: Wenn man so lange Punk macht wie wir, seit ´92, ´93, dann ist es entweder so, man macht das jahrelang weiter, dann wird man Ramones, oder man macht was Neues. Und alle Bands, die mir jemals irgendwann wichtig waren, haben sich entweder irgendwann verändert oder sie haben sich aufgelöst. Weil sich jede Band, die irgendwas jahrelang auf die Spitze treibt, sich meiner Meinung nach verändern muß. Es gibt natürlich bestimmte Bands, die dürfen das, wie zum Beispiel die Ramones oder Motörhead, von denen erwartet man das so. Bloß das sind so Bands, wo ich persönlich sage, ob die sich nun auflösen oder nicht, das ist mir scheißegal. Und so geht das halt bei jeder Band, die irgendwas auf die Spitze treibt, was wir meiner Meinung nach auch gemacht haben. Wir, oder ich zumindest, habe Punk mit deutschen Texten mit der dritten Platte auf die Spitze getrieben und dann habe ich es abgeschlossen. Wenn ich jetzt spüre, daß ich das mit der Elektronik auf die Spitze treibe, dann würde ich es auch abschließen und würde dann vielleicht nur noch mit Akustikgitarre weiter Musik machen. Als Musiker denkt man ja auch, um sich nicht ständig zu wiederholen, muß man irgendwas neu machen und ob unser Fanpublikum uns dann noch folgt oder nicht, muß es selber wissen. Ich habe ja sogar der Band immer gesagt, wir werden wahrscheinlich 50% unseres Publikums verlieren.
Hagen: Und die Meinungen über das Album gehen auch sehr auseinander: Manche sagen, das hat mit Punkrock nichts mehr zu tun, oder, nach dem dritten Song habe ich ausgemacht, oder, das ist mir zu langweilig geworden.


Durch die Abkehr von der Punkmusik scheint es so, als wäre die Wut so ein bißchen raus und einer gewissen Resignation gewichen, sowohl in den Texten, als auch in der Musik. Woran liegt das?
Marcus: Das kann ich ganz klar beantworten: Ich bin heute ein anderer Mensch, als ich es damals war. Ich würde heute auch nie mehr 'Ohnmacht' singen. 'Ohnmacht' war so ein Song, da habe ich dran geglaubt, da bin ich drin aufgegangen. Mit 16 habe ich den Song geschrieben, mit 21 aufgenommen und das war natürlich für den damaligen Abschnitt wichtig, aber das hat mit meinem Leben heute nichts mehr zu tun. Und wie bitter oder unehrlich oder peinlich wäre es, wenn ich jetzt so ein Gefühl, was ich damals wirklich hatte, jetzt nur noch mal heraufbeschwören würde, damit halt die Leute noch die wütenden Texte kriegen; so etwas interessiert mich alles nicht. Das ist immer nur ein Zustand, in dem man sich so fühlt. Und wenn Du meinst wir wären resignativ, dann stimmt das natürlich, ich finde die Texte aber eher noch zynisch als resignativ. Dieser Zynismus ist heute aber auch humorvoller als damals. Zum Beispiel so ein Text wie 'Beste Waffe', der ist ja nicht nur bitter, sondern ja auch irgendwie lustig.

Hagen: Das sind heute halt nicht mehr so die Songs mit erhobenem Zeigefinger gegen dieses und jenes; das haben wir ja auch schon oft genug gemacht. Deswegen geht das heute so mehr in eine andere Richtung.


Wie entstehen die Texte bei Euch?

Marcus: Natürlich entstehen Texte aus real erlebten Vorgängen, aber man darf bei den Texten eins auch nicht übersehen: In vielen Songs, da ist das Ich im Text fiktiv. Zum Beispiel der Typ, der vom Dach springt im fünften Song ( 'Aussicht', Anm. d. Verf.), das bin nicht ich, das habe ich nie erlebt. Aber das Problem ist auch, soviel kann ja auch kein Schwein erleben. Da muß man sich ja auch, und das heißt ja auch Songwriting oder Textemachen, reinversetzen. Oder auch der letzte Song 'Entlassen (vor der Winterpause)', ich bin nicht verlassen worden, ich weiß nicht wie das ist, ich versetz mich nur rein. Nur bei 'Beste Waffe' ist es natürlich eindeutig so, daß ich es erlebt habe. Vielleicht ist der Text ja deswegen ganz besonders gut, ich weiß es nicht. Nur bin nicht jedesmal ich das, der da spricht.


Fühlt Ihr Euch zu einer bestimmten Szene zugehörig? Es gibt da immer wieder diese Vergleiche mit Dackelblut, Boxhamsters oder EA80. Stichwort 'Hamburger Schule'.

Hagen: Ich denke rein textlich sind wir da schon ein bißchen anders als Boxhamsters oder EA80. Musikalisch kann man das schon miteinander vergleichen.

Marcus: Aber seit der neuen Platte auch nicht mehr.

Hagen: Das ist eher noch was anderes; mit der Hamburger Schule würde ich uns auch nicht vergleichen.

Marcus: Das klingt jetzt vielleicht eitel, aber es ist schon so, daß wir nicht so viele Bands um uns herum haben, zu denen wir uns eindeutig dazu zählen. Sicherlich sind wir auch mit Bands wie Propagandhi und I Spy getourt, die dann vielleicht von den Texten her denselben Spirit und dieselben Ideen haben, aber da kann man ja auch kaum von einer Szene sprechen. Wie soll man diese Szene nennen? Deutschland-Kanada-Achse? In Hamburg gibt es natürlich noch Rantanplan, mit denen wir natürlich auch unmittelbar verbunden sind, aber ich kann keine Punkband aus Hamburg, die es dort noch gibt aufzählen, die so zu uns paßt.

Hagen: Das ist alles ein bißchen tot, in der Szene passiert nicht mehr viel.


Marcus, Du schreibst die Texte, was ist mit den Musiken? Sind die Euch auch so wichtig wie die Texte, die bei Euch doch wohl im Vordergrund stehen?

Marcus: Jeder in der Band kommt mal mit einer Idee an und dieser Idee wird prinzipiell erstmal eine Chance gegeben. Dadurch daß man halt Vertrauen in jedes einzelne Mitglied hat, werden die Ideen auch meistens immer umgesetzt.

Hagen: Ich finde das schade, wenn wir immer nur auf die Texte reduziert werden.

Marcus: Wir reißen uns den Arsch auf, um auch gute Musik zu machen, aber wenn sich dann alles immer nur um die Texte dreht, dann ist das für mich zwar ein Kompliment, aber für die gesamte Band ist das natürlich ziemlich bitter. Wenn man zuerst die Musik schreibt, ist man ja immer sehr limitiert; wenn dann da der Refrain kommt, dann muß ich da jetzt Wörter für den Refrain finden. Und wenn man jetzt mal solche relativen Wortungeheuer wie 'Vom 3er' oder auch 'Weniger als 5 Sekunden' nimmt, dann sage ich immer nur: Wir spielen das Teil so lange wie der Text ist. Da richtet sich dann die Musik eindeutig nach dem Text.


Wie sieht das mit dem Touren aus? In letzter Zeit hat man nicht viel von Euch gehört.

Marcus: Ich habe gerade eine Stimmbandoperation hinter mir, weswegen wir nicht auf Tour gehen konnten. Wir waren ja ´95, ´96 sehr viel unterwegs und das hat meine Stimme halt restlos in den Arsch gekloppt und sie hat sich auch davon nicht mehr richtig erholt und dann wurde ich eben operiert und jetzt ist es wieder gut. Aber dieses lange Touren wird von Außenstehenden auch oft überschätzt. Das ist ab der fünften oder sechsten Show manchmal schon so komische Routine, die nicht gerade heilsam ist für dir Musik an sich.


Wann wird es die neue Platte von Rantanplan geben?

Marcus: Über Rantanplan zu reden ist mir in diesem Zusammenhang jetzt eher unangenehm. Wir haben im Moment etwas Pech mit unserem Schlagzeuger, der halt im Moment nicht auftreten kann, es geht jetzt so langsam wieder vorwärts, aber wann die neue Platte fertig sein wird, weiß ich nicht.